Wo steht das Hafengeschäft im Jahr 2050?

01.22.2021

Wo steht das Hafengeschäft im Jahr 2050?

January 22. 2021

Cuxhaven: Wo steht das Hafengeschäft im Jahr 2050?

Kapitän Arne Ehlers (BREB) legt im Interview seine Perspektive des Hafenstandortes Cuxhaven dar.

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten erweist sich der Hafen wieder einmal als wichtiges Standbein der Cuxhavener Wirtschaft. Doch es stellt sich die Frage, wie geht es weiter, wo steht Cuxhaven im Jahr 2050? Einer der wichtigsten Player im Cuxhavener Hafengeschäft, Arne Ehlers, gab dazu im Gespräch mit Redakteur Thomas Sassen interessante Antworten.

Herr Ehlers, als geschäftsführender Gesellschafter der BREB GmbH &Co KG betreiben Sie nun schon einige Jahre die Reederei mit Hafenagentur und Logistikdienstleistung. Warum haben Sie sich für Cuxhaven als Standort entschieden?

Ganz ehrlich, mit der Geburt unseres zweiten Kindes in Bremen wurde der Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, immer stärker. Gleichzeitig zeichnete sich 2008/2009 eine positive Entwicklung des Cuxhavener Hafens als Offshore-Standort ab. Auch war ich der Meinung, dass eine klassische Reederei mit eigenen Stückgutschiffen und Liniendiensten gut nach Cuxhaven passen würde. Zudem wusste ich über meine Mitgliedschaft im Nautischen Verein von der außergewöhnlich kooperativen Zusammenarbeit aller Beteiligten in Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Cuxhaven zugunsten des Hafens.

Können Sie uns kurz ihren beruflichen Werdegang schildern?

Abitur in Cuxhaven 1989, Ausbildung zum Schiffsmechaniker bei der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, kurz Hamburg-Süd, 1989 - 1992 Seefahrtschule in Leer, Abschluss 1995 als Dipl. Wirtschafts-Ing. für Seeverkehr (FH), Fahrtzeit und Inspektionstätigkeit bei Briese Schifffahrt, 1998 erstes Kommando als Kapitän auf Großer Fahrt; ab 2000 als Kapitän und Transportmanager bei der Bremer Reederei Eilemann & Bischoff, 2003 Geschäftsführer bei Bremer Reederei E & B (nach Umbenennung), 2008 geschäftsführender Gesellschafter Bremer Reederei E & B GmbH, 2015 geschäftsführender Gesellschafter BREB GmbH & Co. KG und seit 2016 Geschäftsführer Blue Water BREB GmbH.

Sie sind also ein Cuxhavener Jung und sozusagen zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Ehrenamtlich engagieren Sie sich als Vorsitzender im Nautischen Vereins. Worauf legen Sie dabei den Schwerpunkt?

Ich bin familiär mit der Schifffahrt in Cuxhaven groß geworden. So geht es vielen Cuxhavenern. Daher gehört ein großes Interesse an der Schifffahrt in Cuxhaven einfach dazu. Im Nautischen Verein versuchen wir, die hervorragende Arbeit unserer Vorgänger fortzusetzen. Das bereitet allen Beteiligten großen Spaß. Wir sind absolut unabhängig und haben ein offenes Ohr für Seeleute, Schifffahrtsbetriebe, die Politik und Verwaltung, Behörden und Marine und alle interessierten Teile der Bevölkerung. Satzungsgemäß fördert der NVC im öffentlichen Interesse liegende Angelegenheiten der Schifffahrt, der seemännischen Ausbildung, der Seefischerei, der Marine, der Sportschifffahrt, der Traditionsschifffahrt und des Seewesens im Allgemeinen. Schwerpunktmäßig wollen wir die großen Themen der internationalen Schifffahrt und Fischerei sowie alle maritimen Themen, die Cuxhaven betreffen, behandeln. So verstehen wir uns auch weiterhin als Sprachrohr in Cuxhaven und weit über den Standort hinaus. Wichtig ist uns eine möglichst objektive und facettenreiche Betrachtung auch kontroverser Themen. Gerade weil Schifffahrt immer grenzüberschreitend stattfindet und viele unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an den Seeverkehr gestellt werden, ergeben sich häufig komplexe Fragestellungen, die nautischen Sachverstand erfordern. Dabei müssen wir den Verein auf die Zukunft ausrichten und Bewährtes aus der Vergangenheit mit den Anforderungen der Zukunft in Einklang bringen. Sowohl alten Fahrensleuten als auch jungen Menschen soll der Verein eine Heimat bieten -und wie immer lebt auch unser Verein vom Mitmachen aller.

In den vergangenen Jahren hat sich ihr Unternehmen am Standort Cuxhaven, durch die Tochtergesellschaft Blue Water BREB GmbH vor allem auf den Umschlag von Großkomponenten für Windkraftanlagen konzentriert. Wie viel Prozent macht das vom Gesamtgeschäft aus?

Das Kerngeschäft bei BREB besteht nach wie vor aus dem Schifffahrtsgeschäft, das heißt der Linien- und Trampfahrt mit eigenen und gecharterten Schiffen. Seit 2016 agieren wir auch als Umschlagbetrieb in einem Joint Venture mit der dänischen Blue Water Shipping A/S, einem der ganz großen internationalen Transport- und Logistikunternehmen, insbesondere im Bereich erneuerbare Energien. Die Umschlagtätigkeit der Blue Water BREB macht dabei ungefähr ein Viertel des Gesamtgeschäfts der BREB aus.

Wie sehen Sie die Perspektiven in diesem Segment für den Standort Cuxhaven?

Cuxhaven hat sich einen guten Namen in der Windenergiebranche gemacht. Viele Offshore-Projekte wurden erfolgreich über den Hafen abgewickelt. Die Ansiedlung der Siemens Gamesa Renewable Energy mit dem weltweit modernsten Werk zur Produktion von Offshore-Turbinen, dem technischen Kernstück jeder Windkraftanlage, markiert den vorläufigen Höhepunkt dieser positiven Entwicklung. Die beschlossene Erweiterung des Werks zeigt, dass Cuxhaven auch in Zukunft ein bevorzugter Standort dieser Industrie bleibt. Zusammen mit den bereits angesiedelten Firmen wie Nordmark, Dangard und Titan hat sich schon ein erstes Windenergie-Cluster am Standort ausgebildet. Weitere Unternehmen und Aktivitäten werden folgen. Davon bin ich überzeugt.

Welche Auswirkungen hatte die COVID-19-Pandemie auf Ihr Geschäft?

Für unseren Umschlagbetrieb der Blue Water BREB haben wir im vergangenen Jahr ein getrenntes Zwei-Schicht-System eingeführt und konnten dadurch ohne Corona-Fälle des eigenen Personals und ohne Kurzarbeit wie gewohnt alle Kundenaufträge bedienen. Für die Kolleginnen und Kollegen hat das letzte Jahr oft eine starke zusätzliche Belastung bedeutet. Ich möchte mich daher bei allen für ihren Einsatz und die pflichtbewusste Einhaltung aller Hygiene-Maßnahmen sehr herzlich bedanken. Gemeinsam ist es uns gelungen, auch ein wirtschaftlich zufriedenstellendes Geschäftsergebnis zu erzielen.

Kommen wir zur Zukunft des Cuxhavener Hafens und zum geplanten Lückenschluss mit den Liegeplätzen 5 bis 7. Cuxport-Chef Peter Zint hat sich in einem Interview in unserer Zeitung kürzlich zurückhaltend geäußert, was den Bau der Liegeplätze angeht. Die wirtschaftliche Lage sei vor dem Hintergrund des Brexits sehr unübersichtlich. Wie sehen Sie das?

Die Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes des Bundes vom 5. November 2020 und die am 19. November veröffentlichte EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie stellen auch für Cuxhaven ein enormes Potenzial dar. In den vergangenen Jahren wurden bereits jährlich über 3000 Windenergie-Komponenten über das Deutsche Offshore Industrie Zentrum (DOIZ) im Cuxhavener Hafen umgeschlagen. Dem Standort Cuxhaven wird in Zukunft eine Schlüsselrolle beim ökologischen Umbau der Industrie im Kampf gegen den Klimawandel weit über die Grenzen Deutschlands hinaus zukommen. Vor diesem Hintergrund gewinnt der planfestgestellte Lückenschluss der Stromkaje zwischen Liegeplatz 4 und LP 8 enorm an Bedeutung. Das gilt in gleichem Maße für die seit ca. 15 Jahren angedachte Erweiterung der hafennahen Gewerbeflächen in direkter Nachbarschaft zum Deutschen Offshore Industrie Zentrum. Hier gilt es, schnell zu handeln, denn der Impuls für die Offshore-Industrie aus den genannten Maßnahmen wird sich in Form von gesteigertem Flächenbedarf und Ansiedlungswünschen schnell bemerkbar machen. In Bezug auf die zukünftigen Liegeplätze 5-7 ist der Hafen Cuxhaven schon jetzt neben dem Export nach England ein bedeutender Hafen für weltweite Verschiffung von Windenergiekomponenten. Die einseitige Abhängigkeit des Standorts vom reinen Englandgeschäft verlagert sich glücklicherweise hin zu einem differenzierten und international ausgerichteten Geschäft.

Schiffsmotoren sind derzeit für einen großen Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Die Branche bemüht sich nun um umweltfreundlichere Antriebe. Welchen Stellenwert hat das Thema für die Reederei BREB?

Keiner versteht, warum die Schifffahrt seit Jahren so zu Unrecht diskreditiert wird. Das hilft keinem, vor allem nicht der Umwelt. Tatsächlich emittiert die Schifffahrt lediglich 2,6 Prozent des globalen CO2- Ausstoßes und das bei insgesamt 90 Prozent des weltweiten Gütertransports. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass für den kleinen Rest von 10 Prozent des Handels alle anderen Verkehrsträger zusammen für ca. 22 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind! Hier sollte man im Sinne eines effizienten Umweltschutzes ansetzen oder bei den 42 Prozent CO2-Ausstoß für Strom- und Wärmegewinnung. Schifffahrt war und ist zu jeder Zeit das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Gleichzeitig ist die Schifffahrt weltweit und über alle Ländergrenzen hinweg auch Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Von der Öffentlichkeit relativ unbeachtet wurde mit dem Global Sulphur Cap 2020 zum Jahreswechsel 2019 / 2020 der Schwefelgehalt von Schiffstreibstoffen ohne Ausnahme auf allen Weltmeeren auf 0,5 Prozent reduziert. Faktisch hat dies den Einsatz von Schweröl als Schiffstreibstoff schlagartig beendet, weltweit. Zwar kann Schweröl noch auf Schiffen mit Abgasentschwefelungsanlangen verbrannt werden, aber mit einem Anteil von rund 1000 Schiffen mit sogenannten Scrubbern an der Welthandelsflotte mit ca. 70 000 Schiffen lohnt es sich häufig gar nicht mehr, Schweröl flächendeckend an den Bunkerstationen vorzuhalten. Die Schifffahrt bekennt sich eindeutig zu einer schnellstmöglichen Dekarbonisierung und wird spätestens bis 2050 komplett klimaneutral sein. Das kann man noch lange nicht von jedem Industriezweig sagen.

Wie stehen Sie privat zum Thema Umweltschutz?

Für uns gehört umweltbewusstes Denken und Handeln privat wie geschäftlich als selbstverständlicher Teil zum Leben dazu. Das gilt übrigens für die meisten Menschen. Ich merke immer wieder, wie gerade Unternehmen in diesem Punkt schon viel weiter sind als die gesetzlichen Mindestanforderungen. Unsere Schiffe "Bremer Johanna" und ihre beiden Schwesterschiffe wurden bereits in den Jahren 2003 bis 2008 als umweltfreundlichste Schiffe ihrer Art gebaut und waren mit dem "Blauen Engel" für umweltfreundlichen Schiffsbetrieb ausgezeichnet. Dafür erhielt BREB 2007 einen Sonderpreis Logistik der Kieserling-Stiftung. Aktuell haben wir ein erstes Design für eine kleine Neubauserie entwickelt. Auch hier ist der Anspruch wieder, ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit zu erreichen. Wir setzen dabei auf den zukünftigen Einsatz von CO2-neutralen Treibstoffen. Nach meinem aktuellen Wissenstand räume ich grünem Methanol in Zusammenhang mit Offshore-Wasserstofftechnologie die größten Chancen ein. LNG stellt für uns nur eine Übergangstechnologie dar. Auch bei LNG handelt es sich ja um einen fossilen Brennstoff. Das ist für uns keine Option.

Schauen wir in die Zukunft. Wie könnte der Cuxhavener Hafen im Jahr 2050 aussehen? Welche Rolle könnte dabei die Wasserstoffwirtschaft spielen?

Das 2020 durch NPorts veröffentlichte Perspektivpapier (www.nports.de) zeigt deutlich, dass Cuxhaven ein bedeutender Hafen für den RoRo-Verkehr sowie für den Umschlag von Stückgütern, Stahlprodukten, Massengut, Projektladungen und Pkw ist. Die zunehmende Abwicklung von Offshore-Windenergie-Komponenten stärkt dabei das breit gefächerte Umschlagspektrum des gesamten Hafens. Der Brexit stellt für den wichtigsten deutschen Exporthafen Richtung Großbritannien eine große Chance dar. International ist Cuxhaven auf der Landkarte der großen Projektladungshäfen angekommen und wird seine Bedeutung gerade Richtung Fernost weiter ausbauen. NPorts kann sich ebenfalls am Steubenhöft und im Amerikahafen sowie bei der Seebäderbrücke zukünftig ein erweitertes Angebot für die Fahrgastschifffahrt vorstellen, um den Tourismus in Cuxhaven auszubauen. Die mögliche Erweiterung der Flächen durch den Bau der Liegeplätze 5-7 bietet Cuxhaven die Möglichkeit, die Segmente Projektverladung und Offshore-Windenergie weiterzuentwickeln. Ich sehe 2050 einen zukunftsfähigen Mix, angefangen bei der Passagierschifffahrt national und international über Automobil- und RoRo-Terminals, Stückgut und Massengutumschlag bis hin zu Projektladung mit Drehscheiben-Funktion für die internationale Windenergie-Branche und entsprechende Industrie am Standort Cuxhaven.

Und wie sieht es beim Wasserstoff aus?

Am 20. Januar 2021 wurde das Projekt "Highway for Future" vorgestellt. Ziel ist es, den Nordwesten zum "Wasserstoff-Hub" zu entwickeln. Unternehmen können dazu Fördermittel beantragen. Für Cuxhaven sind ein Elektrolyseur sowie eine Tankstelle und Projektentwicklung im Bereich Verkehr geplant. Wasserstoff ist also auch in Cuxhaven schon ein wichtiges Thema, welches bis 2050 sicherlich noch viel bedeutender werden wird. Wir hoffen, bis dahin auch für unser Terminal und in der Schifffahrt solche alternativen Methoden für Großmaschinen anwenden zu können. Kopfzerbrechen kann uns allerdings der klimabedingte Meeresspiegelanstieg und seine Auswirkungen auf den Hafen Cuxhaven bereiten. Hier müssen wir alle unsere Kräfte und Bemühungen bündeln.

Quelle: von Thomas Sassen | 24.01.2021, Cuxhavener Nachrichten